Vaters Einkäufe...
oder Worte für Handwerker Werkstatt
und Omas Meinung dazu
Seit 2013 begleiten mich Vater, Oma und deren verstorbener Lebensgefährte Eugen. Ich stolpere über ein Wort oder einen Begriff, nehme sie wörtlich oder fabriziere selbst Wortgebilde. "Vaters Einkäufe ..." sind eine Art Tagebuch, stehen schräg in der Landschaft und dürfen nicht unkommentiert bleiben. Das übernimmt Oma gerne und scharfzüngig, manchmal streng, manchmal nostalgisch und immer wohlüberlegt.
Drei Beispiele.
Der Bildschirmständer
Gestern hat Vater einen Bildschirmständer gekauft.
Der steht jetzt gleich neben der Eingangstür.
Das ist praktisch, weil wir den Bildschirm mit einem Griff zur Hand haben
Falls ein Bilderregen angesagt ist.
Omas Meinung zu Bildschirmständer
Mein Computer ist Schrott.
Trotz des Schirms prasseln die
Bilder in Strömen auf mich ein. Da wünsch ich mir die Mattscheibe zurück.
Herbert Knutti, April 2013
Gestern hat Vater einen Bildschirmständer gekauft.
Der steht jetzt gleich neben der Eingangstür.
Das ist praktisch, weil wir den Bildschirm mit einem Griff zur Hand haben
Falls ein Bilderregen angesagt ist.
Omas Meinung zu Bildschirmständer
Mein Computer ist Schrott.
Trotz des Schirms prasseln die
Bilder in Strömen auf mich ein. Da wünsch ich mir die Mattscheibe zurück.
Herbert Knutti, April 2013
Der Rechtfertiger
Vater kauft sich einen Rechtfertiger. Das war nicht einfach, denn im Regal wurden ein Rechtsverdreher, ein Entrechter und ein Rechtsgrundleger ebenfalls angeboten. Das war alles in allem dann doch zu teuer, auch wenn im Rechts-Set angeboten. Ein Rechtfertiger ist praktisch und hat zwei Modi. Erstens macht der Rechtfertiger aus unvollendetem vollendetes Recht. Aus einer Ausrede etwa baut der Rechtfertiger eine hieb- und stichfeste Argumentationskette. Zweitens kann er Recht anfertigen wo keines ist. Vater kann sich jetzt das ganze Rechts-Set kaufen ohne zu bezahlen, der Rechtfertiger hat ihm ein Recht dafür kreiert.
Omas Meinung zu Rechtfertiger
Ach jetzt ist mein Sohn Potentat geworden und wendet all das selbsterfundene Recht an. Da hab ich ihm mal meine Meinung gesagt und zwar laut und deutlich. Er hat geschwiegen und mit einem «ich kann nichts dafür, der da ist schuld»-Blick zum Rechtfertiger gestarrt. Doch der konnte ihm auch nicht helfen und auf dem Display ist erschienen: «Wichtige Werkeinstellung: Oma hat immer Recht!»
Herbert Knutti, 30. April 2018
Der Wohlstand
Vater kauft sich einen neuen Wohlstand. Das ist mehr sinnvoll als praktisch, denn er rechnet damit, dass alles etwas anstrengender wird. Preislich ist es eher ein Tausch als ein Kauf, am Ende bleibt sogar etwas übrig, meint er. Es geht ihm und uns ja nicht schlecht mit dem derzeitigen Wohlstandsmodell, aber er meint, es sei ihm mehr und mehr nicht mehr wohl damit und dafür stehe das Wort ja auch, dass es einem wohl sei mit dem Wohlstand. Und wenn das nicht zutreffe, sollte man das Modell tauschen. Er hat sich für das Variante Gesundheit und Kultur entschieden und wird künftig auf seine Segelturns und Weinwochen verzichten und mehr wandern gehen. Dies sei mit zunehmendem Alter und Gewicht sowieso sinnvoller und ökologischer wohl auch. Zum Modell gehört ein Premieren Abo im nahegelegenen Stadttheater. Vater ist abends eigentlich lieber zuhause und öffnet sich gerne eine Flasche Wein, aber ohne Veränderung gehe so ein Wohlstandswechsel nicht über die Bühne, meint Vater, und das Theater habe sogar eine eigene Tiefgarage, die man mittels QR-Codes auf dem Ticket gratis nutzen kann. Galeriebesuche gehören ebenfalls zum neuen Wohlstands-Leben und auch ein Abo im Fitnessstudie. Der Besuch des letzteren brauche am meisten Überwindung, gibt Vater zu, aber es sei immer noch einfacher umzusetzen, als sich im Keller ein eigenes Fitnessstudio einzurichten. Dort komme jetzt eine Sauna hin, die auch zum Package gehöre. Nicht zuletzt deshalb, habe er sich für dieses Modell entschieden. Wie sonst könne er sich erholen vom ganzen Kultur- und Gesundheitsstress.
Vater kauft sich einen neuen Wohlstand. Das ist mehr sinnvoll als praktisch, denn er rechnet damit, dass alles etwas anstrengender wird. Preislich ist es eher ein Tausch als ein Kauf, am Ende bleibt sogar etwas übrig, meint er. Es geht ihm und uns ja nicht schlecht mit dem derzeitigen Wohlstandsmodell, aber er meint, es sei ihm mehr und mehr nicht mehr wohl damit und dafür stehe das Wort ja auch, dass es einem wohl sei mit dem Wohlstand. Und wenn das nicht zutreffe, sollte man das Modell tauschen. Er hat sich für das Variante Gesundheit und Kultur entschieden und wird künftig auf seine Segelturns und Weinwochen verzichten und mehr wandern gehen. Dies sei mit zunehmendem Alter und Gewicht sowieso sinnvoller und ökologischer wohl auch. Zum Modell gehört ein Premieren Abo im nahegelegenen Stadttheater. Vater ist abends eigentlich lieber zuhause und öffnet sich gerne eine Flasche Wein, aber ohne Veränderung gehe so ein Wohlstandswechsel nicht über die Bühne, meint Vater, und das Theater habe sogar eine eigene Tiefgarage, die man mittels QR-Codes auf dem Ticket gratis nutzen kann. Galeriebesuche gehören ebenfalls zum neuen Wohlstands-Leben und auch ein Abo im Fitnessstudie. Der Besuch des letzteren brauche am meisten Überwindung, gibt Vater zu, aber es sei immer noch einfacher umzusetzen, als sich im Keller ein eigenes Fitnessstudio einzurichten. Dort komme jetzt eine Sauna hin, die auch zum Package gehöre. Nicht zuletzt deshalb, habe er sich für dieses Modell entschieden. Wie sonst könne er sich erholen vom ganzen Kultur- und Gesundheitsstress.
Omas Meinung zu Wohlstand
Das macht mir doch einen einigermassen vernünftigen Eindruck, was mein Sohn hier umzusetzen gedenkt. Ich hätte ja gerne studiert damals, irgendwas mit Sprachen. Mein Vater hat mich zu einer Lehre gedrängt, was ja zugegeben auch seine Vorteile hatte. Vom Theater hatten wir keine Ahnung, dass konnte unsere Familie sich nicht leisten. Mit der Schule haben wir den Wilhelm Tell in Interlaken besucht, was mich ungemein beeindruckt hat, vielleicht auch des ganzen Erlebnisses wegen, Car-Fahrt hin und zurück mit ausgelassener Teenie-Stimmung. Das war lässig, wie sich damals die Jugendsprache ausdrückte.
Kürzlich habe ich eine junge, sportliche Politikerin zu einer Umweltinitiative oder etwas ähnlichem sprechen hören. Hat mir fast leidgetan, die arme Frau, wie sie Parolen der Mutterpartei repetiert hat. Sicher fünfmal hat sie im kurzen Interview vom Wohlstand gesprochen, welcher der Initiative wegen gefährdet sei. Von ‘unserem Wohlstand’ hat sie gesprochen. Komisch, dass ich das Gefühl hatte, sie meint überhaupt nicht mich. Da igelt sich jemand ein, hab ich gedacht, und verwandelt Wohlstand in einen Luftschutzkeller. Ich habe immer gemeint, dass es uns so gut gehe, sei einem Geben und Nehmen geschuldet. Sie aber hat nur vom Nehmen gesprochen und dass wir oder wen sie auch immer gemeint hat ein Recht darauf haben, auf der Nehmerseite zu stehen. Das gibt mir zu denken, weil dieses Recht das Recht des stärkeren ist und mit Gerechtigkeit kaum was zu tun hat. Ich bin froh, geht es mir besser als meinen Eltern damals, aber ich könnte auch mit weniger auskommen, und mit zunehmenden Alter tu ich das auch. Mein Sohn bringt wenigstens Schwung in die Sache, ein wenig Lüften tut dem Wohlstand gut. Man müsste im Grunde von diesem Luftschutzkeller-Konstrukt den Stand weglassen, weil das Wohl Bewegung braucht. Die junge Frau könnte die Fragen während des Joggens beantworten, wetten, sie würde nicht derart ‘tötelig’ rüberkommen.
Herbert Knutti, 06.02.2025